Sonntag, 29. Juni 2014

4. Salomon Zugspitz Ultratrail


Da war er jetzt also! Der Tag, auf den Marcus und ich seit Januar diesen Jahres hin trainierten. Wir Beide, hier in Leutasch, gemeinsam an der Startlinie. Vor uns liegen 60km gepaart mit ca. 3000Hm. Hinter uns steht die Meute aus weiteren 400 Trailrunnern, die alle das gleiche Ziel verfolgen wie wir. Gemeinsam zählen wir die verbleibenden 10 Sekunden des Startcountdowns hinunter, während aus dem Lautsprecher Highway to Hell von AC/DC dröhnt. Ein lauter Knall!!! Der Startschuss, let´s go...

Moment, nicht so schnell!
Alles der Reihe nach. Die Geschichte der Baur-Brüder zum diesjährigen Zugspitz Ultratrail beginnt eigentlich schon 2 Tage vor dem Start. Beginnen wir die Erzählung also am Donnerstag, den 19.6.14
Regen und Wolken am Donnerstag!

Donnerstag 19.6.14: Noch 48h bis zum Start
Der Tag stand ganz im Zeichen der Anreise nach Grainau. Nach über 1h Zugfahrt von Aalen nach Ulm und von dort aus nochmals 3h Autofahrt kamen wir in Grainau an. Unsere Ferienwohnung, die nur wenige 100 Meter vom Start- und Zielgelände des Ultratrails entfernt lag, war zwar etwas altertümlich oder besser gesagt nicht mehr ganz modern eingerichtet, erfüllte jedoch ihren Nutzen. Nachdem wir uns dort häuslich eingerichtet hatten und die Uhr auch schon kurz vor drei anzeigte, machten wir uns auf, unsere Startunterlagen abzuholen. 

Die Registrierung hatte an diesem Tag ab 15:00Uhr geöffnet und so standen mein Salomon Teamkollege Lukas, Marcus und ich als wahrscheinlich eine der Ersten an der Registrierung, um uns für Samstag zu melden.
Starnummern sind abgeholt, jetzt müssen wir nur noch laufen.
Nach dem obligatorischen Foto vor der Sponsorenwand ging es dann aber auch relativ schnell wieder zurück in die Ferienwohnung, da die Läufer-Expo und der damit aufkommenden Trubel ja erst am Freitag starten sollte.
Den restlichen Tag verbrachten wir im Zugspitzbad, um unsere Muskeln im warmen Whirlpoolwasser noch einmal zu entspannten. Abends gab es natürlich noch Nudeln mit selbst gemachter Pesto (war super lecker, vielen Dank Meli), um unsere Kohlenhydratspeicher für die bevorstehenden Tage zu füllen.

Freitag, 20.6.14: Noch 24 Stunden bis zum Start
Als wir morgens gemeinsam beim Frühstück saßen und auf die Uhr schauten, wurde uns allen bewusst, dass wir uns schon in weniger als 24h auf der Strecke rund um das Zugspitzemasiv befinden sollten. Keiner wusste so recht,  ob er jetzt mehr Vorfreude oder eher Ehrfurcht fühlen sollte. Nach dem wir unseren restlichen Tagesablauf geplant hatten, fing es draußen gerade an zu Regnen und die Temperatur sank für mich auf gefühlte 0°C. Nach dem Frühstück gingen Lukas, Marcus und ich nach Garmisch. Etwas Sightseeing muss ja schließlich auch sein. Am Ende beschränkte sich das Sightseeing auf einen super tollen Schoko-Laden, indem wir uns durch alle möglichen Sorten an Schokolade aßen und (natürlich) einem Sportgeschäft. Mit vollem Bauch ging es zurück nach Grainau. Dort herrschte auf dem Expo-Gelände schon Highlife. Wir mischten uns unter die bunte Menge und trafen einige bekannte Gesichter und informierten uns über die neusten Produkte zum Thema Trailrunning.
Lukas packt sein Rucksack.
Nach der dem Besuch auf der Expo stand dann noch die letzte kleine Trainingseinheit auf dem Programm: lockere 5km mit ein paar kleinen Steigerungen, um die Muskeln für morgen zu aktivieren. Wir liefen ganz gemütlich die letzten 2 km der morgigen Strecke ab und witzelten noch über eine kleine Treppe mit 5 Stufen kurz vor dem Ziel, dazu später mehr ;-).  Während wir in Richtung Ziel liefen, fielen wieder ein paar Regentropfen und wir stellten uns kurz am Salomon Stand unter, um den Regen abzuwarten. Es passierte jedoch genau das Gegenteil: der Himmel öffnete seine Pforten und ein Platzregen brach herein. Nach 10 min Abwarten beschlossen wir trotz Regen den Heimweg anzutreten. Und so wurde aus dem Warmlaufen, die letzte schnelle Intervalleinheit vor dem Rennen. Nach dem Duschen ging es dann auch schon wieder zurück zum Expo-Gelände, wo nun Nudelparty und Streckenbriefing auf dem Programm standen. Dort angekommen wartete schon fast das komplette Salomon Team Deutschland. Zusammen holten wir uns dann eine riesige Portion Nudeln und setzten uns in das Pavillon. In den folgenden zwei Stunden wurde vor allem darüber diskutiert, wer mit welchem Schuh läuft und wer was anzieht und warum. 
Nach dem Briefing löste sich die Gruppe schnell auf, da die meisten früh ins Bett wollten, um für die morgigen Strapazen bestens ausgeruht zu sein. So gingen auch wir in die Ferienwohnung zurück, um noch vollends unsere Rucksäcke mit der erforderlichen  Pflichtausrüstung zu packen. Um Punkt 22:00Uhr war dann Nachtruhe angesagt.

Perfektes Laufwetter.


Samstag, 22.6.14: Noch 3:30h bis zum Start 
Ring, Ring, Ring!!!! Das Klingeln des Weckers war erbarmungslos. Als wir alle aufgestanden waren, war es Lukas, der als Erster einen Blick nach draußen wagte und den Vorhang unseres Zimmers zur Seite riss. Und siehe da, das Wetter hätte besser nicht sein können. Der Himmel war leicht bewölkt, nur die Berggipfel waren noch etwas in Nebel gehüllt.


Nach fünf Scheiben Marmelade/Honig Toaste und zwei Tassen Kaffee ( Marcus hatte in der Zeit glaube ich schon fünf Tassen getrunken), war die Zeit auch schon so weit voran geschritten, dass wir unserer „Rüstungen“ für den heutigen Tag anzogen und den Rucksack schulterten und ab in Richtung Shuttelbus gingen, der um 7.10 Uhr abfahren sollte. 
Letzte Aufbauarbeiten am Start.
Lukas blieb zurück, da er erst eine Stunde später beim Basetrail über die 36km-Distanz startete. Nachdem Marcus und ich im Bus Platz genommen hatten (ich hatte natürlich den Platz am Fenster) ging es in Richtung Leutasch nach Österreich. Nach ca. 45min Fahrt errichten wir den Startbereich auf dem Dorfplatz von Leutasch. Marcus konnte die Ankunft kaum mehr abwarten und flüchtete als einer der erster aus dem Bus, da sich seine fünf Tassen Kaffee bemerkbar machten. Während er schon aus dem Bus war, ging ich es etwas gemütlich an und sah dass mein Bruder unter Einfluss des Kaffees  seine Startnummer samt Transponder im Bus vergessen hatte. Als Marcus fünf Minuten später voller Panik zu mir kam, weil ihm mittlerweile auch aufgefallen war, dass seine Startnummer wohl noch in dem gerade abgefahren Bus sein musste, erlöste ich ihn und übergab ihm die Nummer. Der erste Schreck wäre somit überstanden.
Ready to run!!!
Die restliche Stunde vertrieben wir uns mit unzähligen Toilettengängen. Um 8:50Uhr wurde es dann ernst. Wir begaben uns durch die Ausrüstungskontrolle in den Startbereich. Dort traf ich auch meinen Team Kollegen Martin Schedler aus dem Sauerland, der sich den Sieg (zu recht) groß auf die Fahne geschrieben hatte. 
Und damit wären wir auch schon wieder am Anfang der Geschichte.

Wir stürmten also los. Die ersten drei Kilometer verliefen relativ flach durch Leutasch hindurch und das Starttempo war dementsprechend von allen relativ hoch. Wir reihten uns beide in diesen ersten Kilometer in der Spitzengruppe ein und gingen das hohe Tempo mit. Dann begann auch schon der Anstieg hoch auf das Scharnitzjoch, dass mit fast 1000 Hm auf 6 Kilometer nicht ganz zu verachten war. Marcus rannte den Berg hinauf als handle es sich um ein Skyrace, immer kurz hinter dem Führenden Martin Schedler. Da ich ganz genau wusste das bergauf nicht unbedingt meine Stärke ist, hielt ich mich zurück und versuchte ohne zu viel Zeitverlust den Gipfel zu erreichen. Marcus hingegen hatte da eine andere Strategie und erreichte den ersten Gipfel als Vierter in knapp über einer Stunde. Ich hingegen verlor Position um Position und erreichte den Gipfel 10min später als 25er. Dies war für mich nicht tragisch da ich ganz genau wusste, dass meine Stärke im Downhill liegt und ich dort die „verlorene“ Zeit wieder zum Teil rein holen kann. Also Stöcke zusammenfalten, iPod auf Play und ab geht’s den langen Downhill mit ca. 1000 negativen Höhenmetern auf fünf Kilometern  in Richtung Hubertushof/Reindlau wo sich auch V5 befand.  Ich rannte also mit dem unterstützenden Gesang eines Pandas den Berg hinunter und machte Platz um Platz gut, so dass ich mich an V5 schon wieder unter den Top 10 befand. Nach einem Stück Wassermelone und ein paar Stücken Orange ging es dann auch ohne viel Rast weiter auf den flachen Streckenabschnitt nach Mittenwald durch die Geisterklamm. Hier konnten Marcus und  ich unseren  Straßenläufer-Qualitäten voll ausspielen und so liefen wir beide das Teilstück ohne Probleme und ohne Plätze zu verlieren, immer weiter in Richtung Ziel vorbei am „40km to go“ Schild. Na also, die ersten 20km waren schon geschafft.  An V6 gab dann wieder ein paar Stücke Obst, Wasser und ISO. Marcus hatte zu dieser Zeit ca. 15min Vorsprung auf mich und tummelte sich auf Platz 7. Ich war, glaube ich, auf dem 10 Platz und wusste ganz genau von dem letzten Jahr, dass das eigentliche Rennen erst jetzt so richtig in Fahrt kommt. Mit diesen Gedanken machte ich mich auf den Weg, weiter zum Ferchensee und V7. 
Es ging einmal rund um den Ferchensee, der mit seinem schönen blauen Wasser geradezu zum hinein springen verlockte.  An der  dortigen Verpflegungsstation witzelte ich ein wenig mir der Crew herum von wegen Halbzeit und das Schlimmste ist ja schon geschafft. Essen konnte ich leider nichts, da ich ein etwas flaues Gefühl im Magen hatte. Zu diesem Zeitpunkt machte ich mir darüber jedoch noch wenig Sorgen und lief zielstrebig weiter in Richtung Reintal und V8. Genau auf diesem Teilstück begannen die Leiden. Nicht nur für mich sondern vor allem für Marcus. Dieser war zu diesem Zeitpunkt immer noch auf einem guten 7 Platz unterwegs.  Bis zum verflixten 35. Kilometer. Dort rebellierte sein Magen aufgrund der Anstrengung und seine Leistung brach nach und nach immer stärker ein.  Auch bei mir machte es sich bemerkbar, dass ich mir zu wenig Energie zugeführt hatte und so wurde auch mein Tempo langsamer und ich wurde überholt und fiel zurück. Bei dem anschließenden sehr technischen Downhill bei Kilometer 38 ins Reintal hinunter spielte ich wieder meine Stärke aus und machte ein paar Plätze gut. Angekommen im Reintal ersehnte ich schon die V8 um endlich meine leeren Softflasks auffüllen zu können. Jedoch weit gefehlt, ich sah keine Verpflegungsstelle und lief weiter den kleinen Anstieg auf der Gegenseite des Tals hinauf und frage mich innerlich schon ob ich V8 einfach übersehen hatte. Den Läufern hinter mir ging es ähnlich. Aber hilft ja alles nichts. So schraubte ich mich langsam hinauf und nahm einen Läufer mit blauem Shirt ins Auge. Die Statur kam mir sehr bekannt vor und ich schrie ich meine Vermutung heraus: Marcus!!! Ich lief schnell die restlichen 100m zu ihm auf und erfuhr, dass er an der nächsten Verpflegungsstation das Rennen beenden wird, da sein Körper einfach nicht mehr den Belastungen des Rennen standhalten kann und die Magenkrämpfe sich immer weiter verschlimmern. Genau zu diesem Zeitpunkt erschien auch das Schild „Food Station 500m“. Was ein Glück, dachte ich mir und lief schnell weiter. Dort angekommen fühlte ich meine Softflasks auf und trank noch eine halbe Dose Red Bull. Essen konnte ich leider nichts da sich mein Magen lautstark mit einem tiefen Grollen bemerkbar machte und mir sagte, dass er nicht zur Nahrungsaufnahme bereit sei. Mit vollen Wasserreserve  ging es in Richtung des letzten Anstiegs, der mit über 1000Hm noch einmal alles abverlangte. Über breite Forststraßen ging es immer wieder hoch und runter und ich wartete darauf, dass der Trail hoch zu V9 endlich begann. Jedoch wollte er einfach nicht kommen. Vom letzten Jahr hatte ich diesen Streckenabschnitt viel kürzer in Erinnerung. Als dann endlich die Serpentinen begannen, starteten auch bei mir das Leiden. Ich fühlte mich von Minute zu Minute kraftloser und mein Magen zog sich allmählich zusammen und rebellierte. Half aber leider alles nichts. Da ich nichts essen konnte, hoffte ich, dass meine Kraftreserven für die letzten 15km ausreichten. Ich schraubte ich mich Kurve um Kurve nach oben und erreichte nach unzähligen Blicken auf meine Ambit, die mir zuverlässig die aktuelle Höhe zeigte, auch die V9 am Längenfelder. Essen konnte ich immer noch nichts und so begnügte ich mich mit 2 Bechern Cola und lief schnell weiter. 400Hm später die für mich die Hölle waren und bei denen ich wieder ein paar Plätze verlor, ging es endlich in den lang ersehnten letzten Downhill, der mit 1400Hm nichts für geschrederte Beine war. Die ersten 300Hm ging es über technisch sehr schwierige Abschnitte nach unten. Einen kurzen Gegenanstieg später erreichte ich auch schon wieder V10. Zwei Becher Cola später ging es dann auf die finalen fünf Kilometer, die ich zusammen mit Michael Weißhaar bestritt. Wir flogen wie ein Güterzug ohne Bremsen den Downhill hinunter, vorbei an Teilnehmern des Basetrail und einigen Supertrail-Läufern. So konnten wir im letzten Downhill noch mal Plätze gut machen. Die finale Rampe nach unten verlange noch einmal alles von uns ab und spukte uns zum Glück unverletzt in Hammersbach wieder aus. Die Zivilisation hatte uns wieder. Angefeuert von einigen Passanten ging es auf die letzten 2 Kilometer. Nach dem wir die  fünf Stufen des letzten Treppchens in Hammersbach (ich erinnere an das Warmlaufen am Vortag), gerade so bewältigt haben, liefen wir weiter in Richtung Ziel. Während wir so die letzten paar Kilometer abspulten einigten Michael und ich uns sozusagen auf einen „Nicht-Angriffs-Pakt“ um gemeinsam ins Ziel einzulaufen. Keine 10min später Bogen wir dann auch schon auf die Zielgerade ein. Dort stand dann auch mein Bruder, der mich nochmal lautstark anfeuerte und mir so noch einmal Kraft für die letzten 100m gab. Nach 8h und 11 min überquerte ich dann zusammen mit Michael die Ziellinie auf den Plätzen  11 und 12  in der „MAN“ Kategorie. Dazu kommt noch ein 18. Gesamtrang unter 347 Finishern des Supertrails. Vielen Dank an dieser Stelle an mein Team, Salomon Running Deutschland für die Unterstützung und das entgegengebrachte Vertrauen. Es bedeutet mir sehr viel ein Teil dieses tollen Teams zu sein. Vielen, vielen Dank.
Zieleinlauf mit Michael
Im Rückblick, war es ein super tolles Wochenende. Schade war nur, dass es bei Marcus schlechter lief als er sich erhofft hatte. Ich kenne ihn aber nun schon mein ganzes Leben  und weiß, dass er die Ereignisse dieses Wettkampf-Wochenendes längst schon genau analysiert und seine Schlüsse daraus gezogen hat. So etwas wie hier beim ZUT wird ihm nicht wieder passieren. Eine Rennaufgabe bedeutet keine Niederlage, sondern es ist eine Chance zu lernen und zu einem stärkeren und erfahrenerem Trailrunner zu werden. Die drei Buchstaben DNF sind nur dann schlimm, wenn man danach liegen bleibt und nicht wieder aufsteht. Aber diese Befürchtung habe ich bei Marcus nicht. Am Montag nach diesem Wochenende waren wir zusammen locker auf unseren Home-Trails auslaufen und ich kann euch sagen, ich habe das Feuer in seinen Augen schon wieder brennen sehen.
„Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren“. Ich denke dieses Zitat kennen viele von euch und Marcus hat längst begonnen, sich danach zu orientieren und wieder anzugreifen. Da bin ich mir zu 100% sicher.

Finisher-Foto am Sonntag.
Zu guter Letzt möchten wir uns noch bei unseren Freunden und Eltern und bei allen Personen ganz herzlich bedanken, die uns an diesem Wochenende die Daumen gedrückt haben und von denen wir an diesem Wochenende mit Glückwünschen und Grüßen überhäuft wurden. Es fühlt sich unglaublich gut an, mit solch einem tollen Rückhalt auf den  Trails unterwegs zu sein. Vielen Lieben Dank euch allen.

Das war er nun also, unser Bericht zum ZUT 2014. Leider etwas verspätet, aber wie sagt ein altes Sprichwort: „Gut Ding will Weile haben“! ;-)  In diesem Sinne...
Keep on Running and never give up.

Die Baur-Brüder, Marcus & Matthias 


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